Startseite
Startseite

Ausgangslage

Flüchtlingssozialarbeit hat sich in Sachsen in den letzten Jahren etabliert (vgl. Gemende/Jerzak/Lehr/Sand/Wagner 2017 & 2018) (Wissenschaftliche Begleitung 2016 2017 2018/19) Das betrifft die professionellen Standards, die die Fachkräfte der jeweiligen Träger auf der Grundlage der Richtlinie „Soziale Betreuung von Flüchtlingen“ des SMGI entwickelt haben sowie die verschiedenen Modelle der Trägerschaften und Kooperationen, wie sie in den Landkreisen und kreisfreien Städten umgesetzt werden. FSA befindet sich in freier, öffentlicher und/oder gewerblicher Trägerschaft. Sie musste sich mit unterschiedlichen Aufgabenzuweisungen – vor allem an die zusätzlich geschaffenen Funktionsstellen wie z.B. die Kommunalen Integrationskoordinatoren – und mit bestehenden Zuständigkeiten der schon etablierten Migrationsdienste arrangieren, um Aufgabenteilungen und Kooperationsbeziehungen im Interesse der Integration ihrer Zielgruppen zu entwickeln.

In diesem Kontext spielt neben der intensiven Hilfe und Beratung für Einzelne und Familien durch die FSA bei nach wie vor hohem Betreuungsschlüssel insbesondere die Arbeit im Sozialraum zur Vernetzung der (haupt- und ehrenamtlichen) Akteure eine besondere Rolle, um in dem oft beklagten „Koordinationsdschungel“ der Aufgaben und Angebote die fachliche Arbeit der Professionellen untereinander transparent zu machen, abzustimmen und inhaltlich weiterzuentwickeln.

Als Themen in der Netzwerkarbeit kristallisieren sich nicht nur Informationen über Regelaufgaben und neue Angebote bzw. Projekte der Akteure heraus, sondern auch besondere Herausforderungen: So z.B. die Soziale Arbeit mit Menschen mit einer Duldung, die Folgen neuer rechtlicher Entscheidungen für die professionelle Arbeit oder die Tendenzen zur Auseinanderentwicklung von (groß-)städtischen und ländlichen Räumen hinsichtlich des Bleibeverhaltens von Migrant:innen, was wiederum mit je spezifischen Anforderungen an die Integrationsarbeit vor Ort einher geht. Diese Herausforderungen kann FSA nicht ohne andere Akteure der Netzwerkarbeit und vor allem nicht ohne die Politik alleine lösen (vgl. Gemende/Jerzak/Lehr/Sand/Wagner (Hrsg.) (2018): „Quo vadis Flüchtlingssozialarbeit?“).

Bei der Integrationsarbeit geht es neben und mit der notwendigen Netzwerkarbeit der professionellen Akteure vor allem um das Herstellen niedrigschwelliger Zugangsmöglichkeiten zu den Sozialen Diensten für geflüchtete und andere Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch der schon länger ansässigen Bevölkerung im Interesse von Begegnung und Konfliktregelung.

Dies umso mehr, als Rassismus und Fremdenfeindlichkeit Themen der FSA bleiben. Die nach wie vor emotionalisierte und polarisierte Debatte um das Thema (Flucht-) Migration beeinflusst auch die Wahrnehmung der FSA-Fachkräfte, bringt sie zum Teil in die Situation, ihr Mandat und ihre Klient:innen rechtfertigen zu müssen. 

Die Situation der FSA in Sachsen ist komplex, auch spannungsreich. Die FSA ist rechtlich nicht festgeschrieben, aber an sie werden hohe Erwartungen der Integration gestellt. Deshalb will die „Wissenschaftliche Begleitung der FSA in Sachsen“ neue Handlungsansätze in drei Problembereichen unterstützen, um damit zur weiteren fachlichen Konsolidierung der FSA, einer dafür notwendigen qualitativ anderen Vernetzung der Akteure und letztendlich zur Sichtbarmachung und Qualifizierung „sozialer Integrationsorte“ beizutragen:

 

  • Die Initiierung und Bereitstellung von möglichst hierarchie- und konkurrenzfreien  Kommunikationsräumen und Vernetzungsstrukturen, vorwiegend auf professionsbezogener Ebene, aber jenseits der institutionalisierten regionalen Kooperationsbeziehungen wurde und wird von den Akteuren sowohl der freien als auch der öffentlichen Träger als gewinnbringend und produktiv eingeschätzt. Mit den „Regionalwerkstätten“ und anderen Formaten der wissenschaftlichen Begleitung wurden Plattformen bzw. neue Handlungsansätze eingeführt, die solch einen (mehr oder weniger) hierarchie- und konkurrenzfreien Raum zur Reflexion und Vertiefung von Themen und ebenso für Austausch, Anregung und Transfer von „guter Praxis“ im Kolleg:innenkreis bereitstellen.
  • Integrationsprozesse von Menschen mit Migrationshintergrund spielen sich letztlich vor Ort, im jeweiligen Sozialraum ab. „Integrationsorte“ (bspw. Begegnungszentren, teils mit Begegnungscafés, Integrationszentren u. ä.) stellen niedrigschwellige, bedarfs- und ressourcenorientierte  Angebote insbesondere der FSA und ihrer Kooperationspartner bereit. Für die sozialräumliche Akteurslandschaft haben „Integrationsorte“ neben beratender und begleitender Funktion für Einzelne koordinierende Funktion, d.h. sie dienen dazu, Synergien zu verstärken, Parallelstrukturen entgegenzuwirken, Zuständigkeits- und Handlungslogiken anzugleichen (Jepkens/Hauprich (2018): INTESO). Der gezielte Blick auf die Sozialraumorientierung der FSA und ihrer Netzwerke sowie auf „sozialraumorientierte Integrationsorte“ im Sinne des Sichtbarmachens neuer Handlungsansätze steht aus – es geht dabei sowohl um das Wissen über exemplarisch ausgewählte Standorte in Sachsen als auch um die Übertragbarkeit vorbildlicher Lösungen. 
  • Da FSA bundesweit nicht rechtlich festgeschrieben ist und es jeweils bundeslandbezogene oder auch kommunale Modelle, Richtlinien und Projekte gibt, ist zu fragen, welche Strukturen und Ansätze der FSA in anderen (ausgewählten) Bundesländern bestehen und wie sich die FSA in Sachsen dazu positionieren lässt. Von Interesse sind dabei neben den allgemeinen rechtlichen und konzeptionellen Grundlagen von FSA in anderen ausgewählten Bundesländern und ihr Vergleich mit der FSA in Sachsen exemplarische sozialraumorientierte Ansätze zur sozialen Integration von Geflüchteten vor Ort wie Integrationszentren, Familienzentren o.ä.

Ziel

In seinem Selbstverständnis ist das Projekt „Wissenschaftliche Begleitung der FSA in Sachsen“ als Forschungs- und Gestaltungsprojekt angelegt, das selbst neue Handlungsansätze initiiert und damit zur Entwicklung eben solcher in der Praxis der FSA beitragen will.

Für die beantragte Förderung stehen die folgenden Ziele im Mittelpunkt:

  • Vor allem im Kontext der LAG Flüchtlings- und Migrationssozialarbeit (LAG FSA/MSA) wird die Professionalisierung des Arbeitsfeldes auf neuer Basis implementiert. Dabei steht zunächst die Gewährleistung des organisatorischen Rahmens für die LAG und deren Begleitung während der Konsolidierung im Mittelpunkt. Bewährte Formate wie die seit 2017 durchgeführten Regionalwerkstätten (Vernetzung unterschiedlicher Arbeitsbereiche und Sozialräume) sollen in Abstimmung mit der LAG auf neuer Basis fortgeführt werden und könnten sukzessive in die Verantwortung der LAG übertragen werden. Zugleich wird die Gründung einer Landeskoordinationsstelle FSA angestrebt.
  • Die Beschreibung und Analyse von „Guter Praxis“ sozialraum- und lebensweltorientierter „Integrationsorte“ soll bereits existierende niedrigschwellige und integrierte Beratungs- und Vernetzungsangebote von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund anschaulich aufbereiten. Dazu werden sowohl die Perspektiven der Geflüchteten (auf Angebote und Bedarfe im Sozialraum) als auch die Erfahrungen der Träger und ehrenamtlichen Akteure rekonstruiert. Dies geschieht in enger Kooperation mit den Akteuren der LAG FSA/MSA.
  • In diesem Zusammenhang wollen wir auch Integrationswege bzw. Integrationsbiographien der geflüchteten Menschen in den Blick nehmen, so etwa hinsichtlich der vorzufindenden Tendenz der Abwanderung vom ländlichen Raum in die Städte. Indem solche Integrationswege rekonstruiert werden, können Erfahrungen und Bedarfe der Geflüchteten mit den jeweiligen strukturellen Rahmenbedingungen (Unterstützungsstrukturen insbesondere durch die FSA) in Beziehung gesetzt werden.
  • Als eine wesentliche Erweiterung der empirischen Perspektive erfolgt eine Ausweitung des Blickes in andere, ausgewählte Bundesländer, um die Strukturen und Ansätze in der Flüchtlings- und Migrationssozialarbeit systematisch zu recherchieren, aufzuarbeiten und die Ergebnisse für die Akteure der FSA im Freistaat Sachsen fruchtbar zu machen. Gleichzeitig können im Kontakt mit den für die FSA verantwortlichen Akteuren anderer Bundesländer das „Sächsische Modell“ dargestellt, ihre Reflexion auf die FSA in Sachsen erfasst und Vernetzungsmöglichkeiten geschaffen werden. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Recherche und Aufarbeitung sozialraumorientierter Ansätze zur Integration von Geflüchteten vor Ort, insbesondere Formen von Integrations- oder Familienzentren, Stadtteilzentren, Begegnungsstätten u. ä.
  • Fünf Jahre nach dem Anstieg der Flüchtlingszahlen und der Etablierung der Flüchtlingssozialarbeit ist es Zeit für eine erste gründliche (Zwischen-)Bilanz der Entwicklung des Arbeitsfeldes seit 2016. Dies soll anhand einer Replikation der Befragung von 2017 geschehen, die zugleich um einige Fragendimensionen zu Kooperation und Vernetzung erweitert werden soll.
  • Jährliche Fach- bzw. Reflexionstage zu ausgewählten Themen der Wissenschaftlichen Begleitung der FSA in Sachsen bündeln wesentliche (Zwischen-) Ergebnisse unserer Arbeit und stellen eine öffentliche Plattform und regelmäßige Foren des fachlichen Austauschs der Fachkräfte dar.

Projektteam

Finanzierung

Das Projekt wurde über die Förderrichtlinie „Integrative Maßnahmen“ der Staatsministerin für Gleichstellung und Integration beim Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz gefördert.