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Ausgangslage

Flüchtlingssozialarbeit (FSA) hat sich in den kreisfreien Städten und in den Landkreisen Sachsens zu einem wichtigen Handlungsfeld Sozialer Arbeit entwickelt.

Sie unterscheidet sich teilweise deutlich hinsichtlich ihrer Strukturen, der Kooperationen und der konkreten Handlungsansätze vor Ort. Dies betrifft bspw. Fragen danach, welche Trägerstruktur sich entwickelt hat, wie die Fachkräfte bzw. ihre Tätigkeiten bezeichnet werden, wie sie kooperieren, wie die Kooperation mit anderen Akteur*innen für die (zumindest partielle) Integration der unterschiedlichen Zielgruppen geflüchteter Menschen erfolgt und welche Handlungsansätze dabei verfolgt werden (vgl. Gemende/Jerzak/Lehr/Sand/Wagner 2017).

Die bisherigen Ergebnisse der Wissenschaftlichen Begleitung der FSA in Sachsen zeigen, dass  Zuständigkeiten und Aufgaben in der FSA effizienter verteilt werden können (und sollten). Ein Ansatzpunkt zur zielorientierteren und wirkungsvolleren Kooperation ist die Konkretisierung der Aufgabenbereiche der Akteur*innen im Integrationsnetzwerk, insbesondere der in 2016/17 neugeschaffenen Kommunalen Integrations-, Bildungs- oder Ehrenamtskoordinator*innen. Hauptsächlich im ländlichen Raum sind deren Zuständigkeiten sowie die Bündelung der Aktivitäten aufgrund der Gemeindeverbandsstrukturen herausfordernder als in der Stadt.

Die bisherige Analyse der FSA in Sachsen verdeutlicht überdies, dass deren öffentliche und freie Träger besonderen Aushandlungsbedarf hinsichtlich

  • der Qualifizierungen des Personals (multiprofessionelle und interkulturelle Teams),
  • der Strukturen für die Kommunikation,
  • einer Etablierung von Mindeststandards für die Flüchtlingssozialarbeit,
  • sowie der Aufgabenverteilung der Akteur*innen untereinander anzeigen.

Dazu kommt, dass der Aufgabenbereich der FSA derart breit gefächert ist, dass von einer Allzuständigkeit gesprochen werden kann. In Kombination mit den derzeitigen Betreuungsschlüsseln fühlen sich die meisten Praktiker*innen nicht in der Lage, qualitativ gute Soziale Arbeit zu leisten. Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung vieler Akteur*innen der Flüchtlingsarbeit wurde die Entwicklung von Netzwerken häufig zugunsten anderer Aufgaben vernachlässigt. Es ist daher notwendig, kommunale Netzwerke der Flüchtlingsarbeit neu auszurichten und zu stärken, um langfristige Strategien für die Flüchtlingsarbeit zu entwickeln und andererseits bereits vorhandene Instrumente der Netzwerkarbeit wie runde Tische etc. nachhaltig auszubauen und klarer aufeinander abzustimmen. Hierbei sollte auch auf die Stimmen der Geflüchteten selbst gehört werden. 

In dem beantragten Projekt soll es um folgende Problem- und Fragestellungen gehen:

  • Einen wesentlichen Rahmen für Netzwerkarbeit und Partizipation sowie für eine gelingende Integration bildet der jeweilige Sozialraum mit seinen spezifischen Voraussetzungen. Zunächst muss also festgestellt werden, wodurch sich die verschiedenen Sozialräume auszeichnen - was sind die spezifischen Potenziale, Ressourcen und Probleme? Welchen Einfluss haben sie auf die Praxis der FSA / Flüchtlingsarbeit?
  • Angesichts der neu entstandenen Stellen (z.B. verschiedene Koordinator*innen) sowie sich ändernder politischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen haben sich Prozesse und Strukturen in der Flüchtlingsarbeit verändert. Der FSA kommt nach wie vor eine Schnittstellenfunktion zu. Welche Netzwerke und Kooperationen gibt es? Wie können diese Vernetzungen unter Beteiligung aller relevanten Akteur*innen zu gut funktionierenden „Integrationsnetzwerken“ ausgebaut werden? Was läuft gut, was ist wie zu verbessern? Welche Prozesse und Kooperationen sind der Integration / gemeinsamen Arbeit zuträglich?
  • Partizipation und Empowerment sind wesentliche Handlungsansätze von FSA, um die Integration von Geflüchteten in unterschiedlichen Dimensionen voranzutreiben. Nach bisherigen Erkenntnissen sind sie zwar Standards der Arbeit von Fachkräften, aber in der Praxis mit besonderen Herausforderungen verbunden. Das Forschungsprojekt fragt deshalb auch nach Bedarfen und Einschätzungen aus der Perspektive der Geflüchteten und wie diese gezielt und nachhaltig berücksichtigt werden können.
  • Gut funktionierende Netzwerke, die sich durch Transparenz, klare Kommunikation und klare Zuständigkeiten auszeichnen, sind eine wesentliche Voraussetzung, um die verschiedenen Herausforderungen in den Kommunen zu bewältigen. Ein regelmäßiger Dialog zwischen den entstandenen Initiativen zivilgesellschaftlichen Engagements, öffentlichen und freien Trägern der FSA sowie anderen Akteur*innen der Integrationsarbeit und den Geflüchteten selbst ermöglicht Aushandlungsprozesse unter partizipativen Gesichtspunkten. Solche Netzwerke sind der Qualität der FSA ebenso zuträglich, wie dem Klima in der Kommune und der Integration der Geflüchteten – dies lässt sich an vorhandenen Positivbeispielen feststellen. Dazu sollen Kriterien für gute Praxis abgeleitet und herausgefunden werden, unter welchen Voraussetzungen ein Transfer auf andere Regionen möglich ist.   

Ziel

An vier bis sechs Modellstandorten (entlang der Differenzierung: mittelgroße Stadt, Kleinstadt, ländliche Region/Dorf) soll das ‚Typische‘ der jeweils entstandenen Strukturen und Netzwerke aus der Perspektive der FSA, der beteiligten Migrant:innen sowie aller anderen beteiligten Akteur*innen analysiert und soll die Entwicklung geeigneter Strukturen initiiert werden. Beispiele guter Praxis werden erfasst und nach systematischen Kriterien zur Übertragung auf andere Standorte aufbereitet und verbreitet. Damit soll ihr Standard-Charakter gestärkt werden.

Bestehen lokal keine FSA-bezogenen bzw. darüber hinausgehenden Integrationsnetzwerke, wird unser Projekt im ersten Schritt Austauschplattformen, im zweiten Schritt Netzwerkstrukturen initiieren, regelmäßige Kontakte organisieren und diese moderieren und begleiten. Sollen Integrationsnetzwerke erweitert werden, bspw. um neu eingesetzte Kommunale Integrations-, Bildungs- oder Ehrenamtskoordinator*innen, versucht die Praxisberatung, Beispiele guter Praxis zwischen den Kommunen zu transferieren.

Da kommunale Akteur:innennetzwerke und Strukturbedingungen (u.a. historisch bedingte) Spezifika aufweisen, müssen diese im Fall von Neugestaltungen berücksichtigt und die Leistungen der Akteur*innen (u.a. für den Aufbau der Netzwerke) anerkannt und gewürdigt werden. Daher sind die Erfahrungen der lokalen Akteur*innen in der Erhebungsphase ein wesentlicher Schwerpunkt. Ziel ist es, bereits im Erhebungsprozess eigene Stärken und Potenziale sichtbar zu machen, um diese in der angestrebten konzeptionellen und kooperativen Neugestaltung als Ressource zu nutzen und zu verbreiten.

Die Zielgruppe des Projektes umfasst in den ausgewählten Sozialräumen sowohl alle in der Flüchtlingsarbeit relevanten örtlichen Akteur:innen (FSA, Politik, Ämter und Behörden wie Sozialamt und Jobcenter sowie Bildungsträger, Wohnungsunternehmen, zivilgesellschaftliche Vereine und Ehrenamtsinitiativen, Migrantenselbstorganisationen, Kirchen, Wirtschaftsverbände, Ärzte u.a.), als auch die geflüchteten Menschen selbst, als zentrale Akteur:innen ihrer Integration.

Das Projekt richtet sich insgesamt an alle Beteiligten und zu Beteiligenden der „Integrationsnetzwerke“ vor Ort in den jeweiligen Sozialräumen.  Zentral sind dabei weiterhin die jeweiligen Träger der Flüchtlingssozialarbeit, über die auch der Zugang zu den Geflüchteten erfolgt.  

Projektteam

Prof. Dr. Marion Gemende

Claudia Jerzak, M.A.

Margit Lehr

Marianne Sand

Bernhard Wagner

Finanzierung

Das Projekt wurde über die Förderrichtlinie „Integrative Maßnahmen“ der Staatsministerin für Gleichstellung und Integration beim Sächsischen Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz gefördert.