Rückblick: Antrittsvorlesung von Prof. Wieprecht am 05.06.25
Am 05. Juni 2025 fand im Großen Hörsaal der ehs die öffentliche Antrittsvorlesung von Prof. Dr. André Wieprecht statt. Professor Wieprecht sprach zum Thema "Pflegende Angehörige als Säule der sozialen Pflegeversicherung nach SGB XI“. Dr. André Wieprecht ist seit März 2024 Professor für Sozialrecht mit Schwerpunkt Sozialleistungsrecht an der ehs.
Begrüßt wurden der Vortragende und die Gäste von Prof. Dr. Silke Geithner, Rektorin der Hochschule, die André Wieprecht kurz vorstellte.
André Wieprecht studierte Rechtswissenschaften an der Technischen Universität Dresden. Dort legte er 2001 sein 1. und, nach einem Referendariat am Oberlandesgericht Dresden, 2003 sein 2. Staatsexamen ab. Einen Auslandsaufenthalt absolvierte er in Minnesota (USA). 2012 wurde Herr Wieprecht an der Professur für Bürgerliches Recht, Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht an der TU Dresden zu einem Thema im Gesellschaftsrecht promoviert. Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt in verschiedenen Kanzleien und als selbständiger Rechtsanwalt war Prof. Dr. Wieprecht auch als Lehrbeauftragter an der ehs sowie an der Sächsischen Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie (VWA) in Dresden tätig. Zuletzt war er als Head of Legal Affairs and General Counsel im TUD Excellence Center for Innovation, Transfer and Entrepreneurship (TUD|excite) - Legal Office beschäftigt. Seit Februar 2024 ist Herr Wieprecht Mitglied im Beirat für das von der Aktion Mensch für fünf Jahre geförderte Projekt „Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zur selbstbestimmten Teilhabe" (Aufbau von Angeboten im Bereich Freizeit und Reisen) des „Jetzt entscheide ich e.V.".
Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich gesellschaftlicher und rechtlicher Zusammenhänge in der Pflegeversicherung, der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Pflegebedürftige und Angehörige sowie der Schaffung von Strukturen und rechtlichen Voraussetzungen für soziale Organisationen als Eckpfeiler der Gesellschaft. André Wieprecht ist u.a. Mitautor des Praxisratgebers "Pflegeversicherung. Ansprüche und Leistungen für pflegebedürftige Säuglinge, Kinder und Erwachsene", der im März 2025 in 4. Auflage erschienen ist.
In seinem Vortrag stellte er zunächst die Datenlage in Bezug auf die Pflegebedürftigen und pflegende Angehörige in Deutschland vor. So galten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Dezember 2023 in Deutschland knapp 5,7 Mio. Menschen als pflegebedürftig im Sinne des SGB XI. Die Mehrheit der Pflegebedürftigen - 4,8 Mio. - würden zu Hause versorgt, über 80% von ihnen von pflegenden Angehörigen. Nur 800.000 Menschen befänden sich vollstationär in Pflege.
Prof. Wieprecht wies in seinem Vortrag darauf hin, dass die vom Statistischen Bundesamt in der Vergangenheit prognostizierten Zahlen der Pflegebedürftigen bislang immer zu niedrig angesetzt wurden. In der späteren Diskussion wurde ergänzt, dass auch die aktuelle Erfassung der Personen nur unter Vorbehalt betrachtet werden dürfe, da ein Großteil der durch Angehörige erbrachten Pflegeleistungen gar nicht statistisch erfasst würde.
Im Vortrag ging Prof. Wieprecht weiter auf die Motivation zur Übernahme von Pflege ein. Diese sei vornehmlich familiäre Verbundenheit, Vertrauen, kulturelle und moralische Werte sowie die Ansicht, dass die Qualität der durch Angehörige erbrachte Pflege hoch sei. Als Herausforderungen für pflegende Angehörige nannte er vor allem die finanziellen Einbußen bei Erwerbstätigen, die kaum zeitliche Planbarkeit von Pflege, die Doppelbelastung durch Pflege, Familie und Beruf, sowie die von den Pflegenden als unzureichend empfundene Unterstützung durch den Arbeitgeber. Die Folge seien häufig körperliche und psychische Belastungen sowie soziale Isolation der pflegenden Angehörigen. Er forderte hier mehr gesellschaftliche Anerkennung und gegenseitige Hilfe und sprach sich für flexiblere Modelle der Zusammenarbeit zwischen professioneller und informeller Pflege aus. Er wies aber auch auf die grundsätzliche Herausforderung hin, dass die Hälfte der Pflegebedürftigen nicht von fremden Personen gepflegt werden möchte.
In der anschließenden Diskussion kam zum Ausdruck, dass pflegende Angehörige eine unersetzliche Säule der Pflege sind. Allerdings fehlt hier eine Lobby, die die Interessen dieser Gruppe vertritt. Ebenso fehlt die Vernetzung zwischen den Pflegenden und der informelle Austausch zu den Herausforderungen der Pflege. Um die Situation pflegender Angehöriger zu verbessern, seien die Vorschläge zu einem Gesetz zur Familienpflegezeit unter der Einbindung von Familienpflegegeld ein zukunftsweisender Ansatz.
Im Anschluss an den Vortrag überreichte Prof. Geithner die Berufungsurkunde. Der Abend klang bei einem informellen Get together im Foyer der Hochschule aus.
Text: C. Fischer